Freitag, 19. März 2010





Heu kitzelte in seiner Nase. Der Matsch, der seine Stiefelspitzen besprenkelt hatte stand der ihn umgebenden Weite in nichts nach. Großartig. Ein Stoß frischer Luft blähte sich in seine Lungen. Schlendernd zog er seine Bahnen als stiller Voyeur durch die Walachei.
„Du bist alt.“
Die Sonne knallte auf seine Glatze, dass es eine Freude war. Die kribbelnde Vorabankündigung des aufziehenden Sonnenbrandes ließ ihn einen seiner Schritte in einen kleinen Hüpfer verwandeln. Klein, so dass es keiner sah, aber dennoch existent.
„Und du bist krank. Vergiss das nicht.“
Abgerissen war nun der dünne Faden seines Tagtraumes. Helmut Fittick war zurückgekehrt in sein abgelebtes Haus, auf seinen ausgelebten Stuhl, an seinen niedergelebten Tisch. Seine schwarze Strickjacke hing ihm locker um den Bauch wie ein Luftballon, der langsam über die ihn ihm befindliche Luft siegt und in den Zustand des kleinsten physikalischen Energieverbrauchs zurückfindet. Doch wie seine Weste fand er sich zuletzt nur als ausgeleiertes Ding wieder, das durch die Vertreibung seiner Füllung auch seine Schönheit verloren hatte.
Ihm gegenüber saß Rose, eine betagte Dame, die ihre schlohweißen Haare im Nacken zusammengefasst hatte. Der lockere Knoten wirkte wie eine stille Konstante, ein freundlicher Anker. Sie hatte beide Ellenbogen auf den Tisch aufgestützt um sich weiter nach vorne beugen und ihn damit intensiver anschaue zu können.
Zwischen ihnen stand ihr Abendbrot. Pumpernickel, Käse, Wurst, ein bisschen Kresse aus dem Garten und Pfefferminztee aus Senfgläsern. Sie aßen still. Der letzte Hauch Tageslicht durchkreuzte das müde Zimmer bis sich Rose erhob und eleganten Schrittes zum Ofen ging und Holz nachlegte. Das war das letzte Scheit für heute gewesen. Ab hier nur noch Briketts, die speicherten die Wärme für die Nacht und billiger waren sie auch.
Helmut tat es leid. Es tat ihm leid, die falsche Bildung zu haben und die falsche Musik zu hören. Er hielt sich selbst nicht für besonders vorzeigefähig. Irgendwann, und leider wusste er nicht genau wann das gewesen war, hatte er auf das falsche Pferd gesetzt. Er konnte ihr nicht das Heim bieten, das er ihr gerne geboten hätte und es tat ihm furchtbar weh sie um Geld anzubetteln. Geld, das sie sicherlich nicht hatten. Dass er nicht nach Wacken konnte, hatte er schon eingesehen. Das war um Längen zu teuer und zu weit weg, aber ganz in der Nähe würde das Deathfeast stattfinden.
Solang er noch konnte, war es ihm ein tiefes Bedürfnis noch einmal zurückzukehren. Das Zepter einer jüngeren Generation zu überreichen und dabei an dem Urquell dieser Liebe zu horchen. Er wollte die Doublebase seinen Brustkorb erschüttern lassen bis er in Ekstase nur noch ein Wort schreien wollen würde: „Metal!“
Draußen war es dunkel geworden. Sie zündete eine Kerze an und legte sich eine Wolldecke um die Schultern. Ein verstohlener Blick wanderte zum Ofen. Dann setzte sie sich, begleitet von einem sanften Knarrkonzert der Möbel, ihm gegenüber, legte ihre Hände in seine und Lächelte. „Geh mein Lieber, aber komm mir heil wieder zurück.“

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